Wer hofft ist jung

Wer hofft ist jung.

Wer könnte atmen ohne Hoffnung.

Die letzten Wochen und Monate haben mich sprachlos und manchmal atemlos hinterlassen. Existentielle Fragen, schmerzhafte Irritationen, Angst vor den politischen Richtungen, die zumindest lauthals stark scheinen und die im krassen Widerspruch zu meinem alltäglichen Leben und Erleben mit anderen stehen. Berührende Begegnungen, sowie einsame und gemeinsame Tränen.

Daher auch keine Blogeinträge, keine Newsletter. Ich wusste nicht was schreiben. Die Worte zu den Gefühlen und Gedanken waren entweder zu viel oder zu wenig und flossen nicht.

Aber dieser Satz hat etwas ins Rollen gebracht, hat meine Gedanken synchronisiert: „Wenn ich sage es geht mir gut, dürfen sie das nicht uneingeschränkt glauben“

Die politischen Ereignisse und Wendungen der Machtinhaber erlebe ich hier in Österreich fassungslos und wütend. Die Begegnungen mit Menschen, die in ihrem jeweiligen Umfeld Menschliches möglich machen und darüber hinaus Ressourcen sichtbar machen, berühren mich wiederum zutiefst. Die Begegnungen mit geflüchteten Menschen, sind tränenreich. Nicht immer nach außen, aber immer nach innen. Das Erlebte ist schmerzvoll, tragisch und traurig. Und gleichzeitig passiert in diesem Umfeld unglaublich Schönes, Tragendes, und Menschliches.

Aber auch in meinem privaten Umfeld, bin ich mit Schmerz, mit existentiellen Fragen rund um Leben und Tod, rund um Leben und Abschied in Berührung. Menschen, die alt werden und von uns gehen, Menschen, die krank sind und Menschen, die alle Hoffnung verloren haben und selbstbestimmt aus diesem Leben scheiden.

Im Beruf sitze ich mit Menschen zusammen, wo der große Schmerz der verlorenen Liebe und Anerkennung durch jede Abwertung und Abgrenzung tausend Bände spricht; Menschen, die enttäuscht sind vom Leben, von den Hoffnungen, die sie in ihre Familie gesetzt haben; Menschen, die nicht mehr weiterwissen; Fachleute, die sich ohnmächtig fühlen.

Im letzten Jahr musste ich auch von einigen Träumen und Wünschen Abschied nehmen. Hoffnungen und Pläne begraben.

„Wenn ich sage es geht mir gut, dürfen sie mir das nicht uneingeschränkt glauben“ Dieser Satz hat meine aktuellen Empfindungen in Worte gefasst. Ein Satz eines 22 jährigen geflüchteten Mannes aus Iran.

Ja es geht mir gut! Ja ich lebe mein Leben! Ich kann entscheiden. Ich kann sinnvolles tun. Ich kann meinen Beitrag leisten und ich kann auf mich schauen, mich zurückziehen, wenn es zu viel wird. Ich habe Orte des Rückzuges. Ich habe ein Bett in dem ich ruhen kann. Ich habe Freunde, mit denen ich die Trauer und den Schmerz teilen kann. Ich bin lebendig. Ich kann leben, mich spüren und mich am werdenden Frühling freuen.

Aber dieses „gut gehen“ ist ein anderes, als noch vor einiger Zeit. Ich bin zeitgleich tief berührt, traurig, sehr schockiert, bin wütend und frustriert, ohnmächtig und hilflos. Es ist nicht „alles in Butter“, in Ordnung oder gut. Weder in mir drin, noch im außen. Es ist ein sowohl als auch. Es ist ein sehr lebendiges Sein, wenn ich die Vielfalt der Gefühle zulasse. Ich bin verletzlich. Ich habe Angst. Aber ich bin in meiner Kraft und ich bleibe handlungsfähig.

Aber wenn nicht, werde ich stumm und still, überfordert und resigniert. Dann nimmt die Ohnmacht überhand und ich werde unbeweglich und auf die negativen Gefühle fokussiert. Ich verliere die Hoffnung.

Ich bin unendlich dankbar für Menschen wie Rosa Ausländer, geb. 1901, die beide Weltkriege durchlebt hat oder der junge Mann aus dem Iran, die Bilder und Worte zur Verfügung stellen.

 

Wer hofft ist jung

Wer könnte atmen ohne Hoffnung

Dass auch in Zukunft Rosen sich öffnen

Ein Liebeswort die Angst überlebt

Link zum offenen Brief von Hessam Abdollahi, wenn Ihr noch mehr von seinen sehr schönen Worten lesen wollt: „Wenn ich sage es geht mir gut, dürfen sie das nicht uneingeschränkt glauben“

 

 

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